Selbstfahrende Autos als autonome Taxis und Shuttles hören sich nach weit entfernter Zukunftsmusik an, allerdings sind diese mit dem Beschluss des deutschen Bundestags und des Bundesrats im März und im Mai 2017 schon auf Deutschlands Straßen erlaubt. Die Gesetzesvorlage legt fest, dass in den hoch automatisierten Fahrzeugen immer noch ein Fahrer am Lenkrad sitzen muss und dieser jederzeit die Steuerung des Wagens übernehmen kann.
Im Falle eines Unfalls haftet der Hersteller, wenn der Wagen autonom unterwegs war und die Software ihre Aufgabe nicht bewältigen konnte. Der Fahrer haftet, wenn er der Aufforderung der Technik, einzugreifen und die Steuerung zu übernehmen, nicht nachgekommen ist. Damit solche Sachverhalte überhaupt festgestellt werden können, sind die Testmodelle für selbstfahrende Autos mit einer Black Box ausgestattet, die alle Vorgänge im Wagen aufzeichnet und sechs Monate lang speichert.
Das neue Gesetz dient zunächst vor allem den deutschen Autobauern wie Daimler, BMW und Audi, die zum Testen ihrer neuen Modelle nun nicht mehr nach beispielsweise Kalifornien ausweichen müssen. Wegen raschen Fortschritten in der Branche ist das Gesetz außerdem nur 2 Jahre lang gültig und soll danach ausgeweitet und den neuesten Entwicklungen angepasst werden.
Die Entscheidung ist durchaus auch wirtschaftlich motiviert, schließlich liefern sich derzeit Hersteller weltweit einen Wettlauf um das erste vollkommen autonome und zuverlässige Fahrzeug und für Deutschlands Wirtschaft sind die Exporte der Automobilindustrie von überragender Bedeutung. Die hiesige Mobilindustrie hat internationalen Rang und wurde zum Nachteil anderer Industriezweige wie dem Bau von Elektronikgeräten, also Fernsehern, Smartphones oder Laptops, welche heute hauptsächlich in Asien produziert werden, in Deutschland gestärkt. Im globalen Handel hat die deutsche Autoindustrie also ihren festen Platz und sollte mit Hinblick auf die Perspektive, dass ein Teil des herkömmlichen Automarkts wegfallen könnte darum bemüht sein, diese Rolle auch in Zukunft beizubehalten.
Sharing-Economy statt privater Autobesitz
Die Entwicklung vollständig autonom fahrender Autos, Lkws, landwirtschaftlicher Zugmaschinen und Militärfahrzeuge wird weltweit vorangetrieben. Ein Vorreiter der Branche ist der amerikanische Konzern Google, der seit Beginn der 2000er Jahre mit umfassenden Ressourcen die Entwicklung autonomer Fahrzeuge vorangetrieben und seit 2012 auf öffentlichen Straßen getestet hat. Ein Kooperationspartner von Google ist dabei der ebenfalls amerikanische Hersteller Tesla, welcher vor allem die Entwicklung emissionsloser Elektrofahrzeuge vorantreibt und derzeit auch fieberhaft an der Marktreife eines komplett autonomen Fahrzeuges arbeitet. Die Firma hat bereits angekündigt, dass alle neuen Fahrzeuge über die notwendige Technik verfügen werden und die Software analysiert und dazulernt, während der Mensch den Wagen fährt. Tesla plant, bis 2018 seine Produktion auf 500 000 Wagen pro Jahr zu erhöhen.
Der Fahrdienst Uber testet schon seit 2016 autonome Taxis des Herstellers Volvo in verschiedenen amerikanischen Städten.
Singapur nimmt ebenfalls einen Spitzenplatz in der Entwicklung und dem Testen von selbstfahrenden Autos ein. Autonome Taxis des Startups Nutonomy gehören dort schon zum städtischen Nahverkehr und der Stadtstaat baut das futuristische Angebot mit selbstfahrenden Touristenbussen, automatischen Shuttles für Gewerbeparks und LKWs ohne Fahrer weiter aus.
Das Konzept verspricht mehr Sicherheit, Mobilität im Alter und größere Effizienz. Wegen zu erwartender hoher Anschaffungskosten für autonome Fahrzeuge ist es durchaus denkbar, dass das derzeitige Modell des privaten Fahrzeugeigentums revolutioniert und im Sinne einer Sharing-Economy ausgerichtet wird. Anstatt den privaten Wagen z.B. für die Fahrt zum Arbeitsplatz 30 Minuten lang zu benutzen und ihn dann die folgenden 8 Stunden auf dem Parkplatz stehen zu lassen, könnten jedem Bürger die selbstfahrenden Autos eines Mobility-Unternehmens für eine monatliche Flatrate zur Verfügung stehen und bei Bedarf über eine App angefordert werden. Die selbstfahrende Flotte des Unternehmens würde nur wenige Minuten benötigen, um den Nutzer an seinem Standort zu erreichen und lange Fußwege und Wartezeiten wie im öffentlichen Verkehr vermeiden.
Ländliche Gebiete mit einem wenig ausgebauten öffentlichen Verkehrssystem würden davon profitieren und alte oder behinderte Menschen hätten eine bessere Lebensqualität durch mehr Mobilität. Denkbar ist auch, dass autonome Fahrzeuge als “Zubringer auf Abruf” zu Hauptlinien des öffentlichen Verkehrs dienen und so abgelegene Standorte an das öffentliche Verkehrssystem anbinden. Die Berliner S-Bahn erwägt bereits solch automatische Zubringerbusse für Gebiete am Stadtrand, um die Fahrgäste zum Bahnhof zu transportieren. Des Weiteren haben vier europäische Städte bereits selbstfahrende Shuttles eingeführt, darunter Aalborg in Dänemark und Sitten in der Schweiz.
Aber gerade auch für verkehrstechnisch überlastete Städte wie Bangkok oder Jakarta könnten autonome Fahrzeuge die Lösung sein, da sie erstens im Idealfall auch emissionslos sein werden und zweitens durch ihr optimiertes Fahrverhalten Staus und Unfälle vermeiden und einen fließenden Verkehr gewährleisten.
Bei gemischtem Verkehr zwischen autonomen und von Menschen gesteuerten Fahrzeugen wäre ein eigener Korridor für autonome Fahrzeuge denkbar, einige Experten gehen aber davon aus, dass die zwei Systeme wie einst die Pferdekutsche und das Auto nicht erfolgreich co-existieren können. Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel werden wir schon in 20 Jahren nur noch mit einer Sondererlaubnis ein Fahrzeug selber steuern dürfen, das behauptete die Kanzlerin jedenfalls auf einer kürzlichen Reise nach Argentinien. Diese Aussage bestätigt, was Hersteller und Verkehrsexperten glauben: die autonomen Fahrzeuge werden in Zukunft zur Pflicht.
Pioniere in der Entwicklung autonomer Fahrzeuge wie Google räumen allerdings ein, dass die Technik noch bei weitem nicht 100% zuverlässig ist. Demnach haben die Google-Autos in der Praxis große Schwierigkeiten mit Ampeln, da diese manchmal von anderen Fahrzeugen verdeckt werden oder bei Gegenlicht schlecht erkannt werden können. Kreuzungen ohne Ampeln sind von den autonomen Fahrzeugen übrigens bisher auch nur schwer zu bewältigen. Fahrradfahrer und andere Verkehrsteilnehmer, die abrupte Bewegungen durchführen, sind heikel. Außerdem orientieren sich die selbstfahrenden Wagen unter anderem an Fahrbahnmarkierungen. Fehlen diese oder sind sie nach einer Baustelle z.B. nur schlecht sichtbar, kann es passieren, dass die Google-Autos einfach perplex stehen bleiben.
Es ist gut denkbar, dass die bestehende Infrastruktur für einen durchweg autonomen Fahrbetrieb verbessert und optimal instand gehalten werden müsste.
Es gibt auch ethische Bedenken in den Fällen auswegloser Situationen, wenn ein autonomes Fahrzeug in einen Unfall verwickelt wird, der nicht vermieden werden kann. Wenn z.B. plötzlich zwei mögliche Ausweichpisten von verschiedenen Personen versperrt werden und die Software im Wagen innerhalb weniger Millisekunden darüber entscheiden muss, welche Richtung gewählt wird und welcher Verkehrsteilnehmer somit gefährdet wird.
Versicherungen wird sicher auch die Frage interessieren, wer in diesem Fall für einen Personenschaden verantwortlich ist, der Programmierer, der Hersteller oder der Insasse des autonomen Wagens?